Kerzenverkäufer

Der in Kreuzberg allen bekannte «Kääääärzn”-Verkäufer.
Grade eben ist er noch auf dem Fahrrad an mir vorbei gefahren und lustiger Weise trägt er in seiner Freizeit ganz normale Klamotten und spricht normale Sätze in normaler Tonlage.
Was man mit ein Meter langen und meist sehr bunter durchaeinander gedrehten Kerzen macht, man weißt es nicht.
Ich frage mich ohnehin ob er die selber herstellt.
Der Mann gehört auf jeden Fall genauso zum Kreuzberger Kneipenbild, wie die Inder mit dem Gebäck, der Mann mit den geschmierten Stullen, die «Wolle Rose kaufen?”-Typen und die Frau mit den extrem hässlichen Blumengestecken.

Plötzlich geht die Kneipentür auf und er ist wieder da. Leicht vorne über gebeugt, den Rucksack stramm geschultert, die Mütze auf dem langem Haupthaar und eine der langen Kerzen schwenkt er einem gleich entgegen während er mit hoher Stimme diese ewig gleiche, in die Länge gezogene Frage stellt: «Kääääääeze kaufen?»
Meist winkt man ab. Wer braucht schon in der Kneipe eine Kerze mit einer Länge von gut einem Meter? Wozu braucht man so ein Ding überhaupt und wo gibt es dafür einen Kerzenständer, der nicht gleich wieder umfällt? Ist das womöglich irgendwie eine religiöse Sache?
Seit Jahr und Tag beschäftigt mich diese Frage, vor allem seit ich vor gut fünf Jahren dann eines Abends sagte: «Warten sie, guter Mann, heute werde ich eine Kerze kaufen.» Ich hatte natürlich keine Ahnung, wieviel der geheimnisvolle Verkäufer dafür verlangen würde, aber jetzt gab es kein zurück. Äh!!!
Also, danach musste ich erstmal zum Geldautomaten wandern um auch meine Zeche zahlen zu können, aber ich bin mir sicher, dass es die Kerze wert war, wenn man nur weiß, wofür sie eigentlich gut ist… Und warum verkauft der Mann diese Dinger und wo hat er die überhaupt her? Seit Jahren versuchen Experten und Analysten der Sache auf den Grund zu gehen, aber bisher kamen sie zu keinem nennenswerten Ergebnis. Klar, man könnte ihn einfach fragen, aber das wäre ja nun wirklich zu einfach.