Treibholz Kanu, Floß & Herberge

Ich werde meinen Beruf wechseln. Ich habe nämlich gestern meinen absoluten Traumberuf kennengelernt: Verkehrsrüpel. Sie meinen, das sei nur ein Hobby und man könne das gar nicht als Beruf ausüben? Weit gefehlt!
Das Ganze hängt mit der Fanmeile und einem Staatsbesuch zusammen. Fanmeilen und Staatsbesuche gehören in Berlin zu den Naturereignissen, an die sich die Einheimischen gewöhnt haben wie die Bewohner anderer Regionen an Tsunamis, Heuschreckeninvasionen oder Landminen. Man kann es sich sparen, sich darüber zu erregen, denn sie sind ja nun mal da und bleiben auch da, wenn man über sie schimpft. Also schimpft man nicht oder nur, weil man ohnehin gerade Lust aufs Schimpfen hat. Landminen, Tsunamis, Fanmeilen und Staatsbesuche führen immerhin dazu, dass der Wohnort in die Nachrichten kommt. Gestern bin ich in so ein Landminenfeld geraten. Mein normaler Weg vom Büro nach Hause führt am Brandenburger Tor vorbei und da steht jetzt eine Fanmeile und wartet darauf, dass Fernsehteams aus aller Welt filmen, wie sich da morgen deutsche und türkische Fußballfans prügeln.
Als Berliner weiß man natürlich, wann und wo ein solches Naturereignis stattfindet und daher nehme ich den Weg durch die Mauerstraße besser gesagt: will ich den Weg durch die Mauerstraße nehmen, wo aber gerade ein Erdbeben veranstaltet wird. Irgendein Bundesministerium hat ein Straßenfest organisiert. Super. Also über die Behrens– und Wilhelm– und Voßstraße, wo sich die Autos versammelt haben, die den Landminen ausweichen wollen. Die Stimmung steigt. Neben mir entspinnt sich eine lautstarke Diskussion zwischen einem Taxifahrer und dem Inhaber eines Porsches, wessen Anwalt den längeren Penis hat.
Wenige Stunden später habe ich die 300 Meter entfernte Ecke Ebertstraße/​Lennéstraße erreicht, wo aufgrund einer eigenartigen Linksabbiegerregelung und ausgefallener Ampeln erst mal Ende ist. Nach etwa einer halben Stunde gebe ich den höflichen Bitten des Taxifahrers hinter mir nach und blockiere die Kreuzung. In diesem Moment rollt der Tsunami an: Staatsbesuch. Schon von ferne höre ich die Megaphone der Motorradeskorte. LOS, LOS, LOS! Willst Du hier Wurzeln schlagen? Mit affenartiger Geschwindigkeit wühlen sich die Polizisten durch den Stau. Du sollst rechts ranfahren, ist das so schwer zu verstehen? RAN-​FAH-​REN! Das war dann übrigens der Moment, wo mir klar wurde, dass ich auch Verkehrsrüpel werden will. Man darf Taxifahrer duzen und beschimpfen, bewaffnet und mit 100 Sachen durch die Stadt brausen und keiner wehrt sich. Cool. Ich war einen kurzen Moment sehr neidisch. Einen sehr kurzen Moment, denn da kam mir einer der grünen Verkehrsrüpel sehr nahe. Erst wandte er sich an den Taxisfahrer hinter mir: Einen Zentimeter weiter und es rappelt, hast du das verstanden?!. Dann war ich an der Reihe. Eingekeilt. Mitten auf der Kreuzung. Die Hose voll. Der Mann sieht entschlossen aus und hat eine 9 mm Dienstwaffe. Ich öffne das Fenster. Der Polizist klappt das Visier hoch und meint in freundlichstem Ton: Sie bitte noch vorfahren, da rechts. Er hat wirklich Bitte gesagt und ohne erhobene Stimme gesprochen, mich nicht erschossen und sich nicht über die sexuellen Vorlieben meiner Mutter geäußert. Ich war schockiert.
Alles in allem habe ich also ein paar sehr vergnügliche und kurzweilige Kilometer verbracht. Wo anders muss man für so viel Action Eintritt zahlen. Ich liebe Berlin.
Eine andere, wesentlich ruhigere Art der Fortbewegung durfte ich am Wochenende erleben. Betriebsausflug. Floß fahren mit Treibholz auf dem Oberpfuhl und dem Zenssee in Lychen. Etwa die gleiche Entfernung aber eine dreistündige Tour. Und was soll ich sagen? Es war herrlich. Ein unglaublich netter, bärtiger Naturbursche, der sich mit der Geschichte und den Geschichten der Region auskennt, in der Naturparkverwaltung gearbeitet hat und jeden Vogel beim Vornamen kennt, fährt Vereine, Betriebe oder wen auch immer mit dem Floß über den See. Was sich auf den ersten Blick schrecklich langweilig anhört, ist einfach nur entspannend und kommunikativ. Zwischendurch gibt’s Kuchen oder kaltes Bier und hintendran hängt ein kleines Anhängerfloß mit Klohäuschen. Es ist sogar ein Herzchen in der Tür. Und wenn man ein bisschen Bewegung braucht, nimmt man sich eines der angedockten Hydro-​Bikes (kleine Katamarane mit einem Fahrrad drauf) und fährt durch die Gegend. Das mit halber Schrittgeschwindigkeit daherdümpelnde Floß holt man bequem wieder ein. Wie nahe man an die Haubentauchernester heran darf, ohne die Vögel zu stören, sagt einem der Naturbursche. Der anhängliche Schwan ist frech aber harmlos. Wir waren mit knapp 40 Leuten unterwegs und das ist eine gute Zahl für das große Floß. Man kann auch ein kleines Floß buchen, dann ohne Klohäuschen, man kann grillen, eine Band mitnehmen oder für die kleine öffentliche Tour (1 Stunde) ohne Anmeldung erscheinen.
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Die öffentliche Tour gibt’s Samstags und Sonntags um 15.00 Uhr, im Juli und August Mittwoch bis Sonntag (7 EUR). Ansonsten alles