Hohe Brücke

So sehr haben wir uns bemüht, Buchstabe an Buchstabe, Wort an Wort, Satz an Satz, Absatz an Absatz, Beitrag an Beitrag und Liste an Liste gereiht. Acht Wochen und ungezählte Stunden lang. Der eine, der andere wird sie lesen, die kleinen Textchen, mögen sie nicht vergessen sein im weiten Rund des www. Vieles hat man versucht und doch ists zu Ende, die Überredungskunst kunstvoll gescheitert. Man nimmt es an, das Ende. My only friend, the end. Die Depression, Kübler-​Ross wird nachsichtig sein, überspringen wir und kommen zur Zustimmung. Ein Beitrag bleibt, und der will wohlgewählt sein. Eine Brücke bauen wollen wir, nun, zum Schluss, eine Brücke bauen in die ungewisse Zukunft. Und Gräben überwinden. Einen, nein, den Tiefen Graben gleich zu Beginn.
Denn den überspannt der Jugendstil. Wunderbar elegant tut er es, die Hohe Brücke als seine Bühne. Lang, lang ists her, da floss hier ein Wässerchen. Der Ottakringer Bach zunächst, nach dessen Ableitung ein Arm des Alserbaches. Auch den begrub man, ohne das Bachbett dem umseitigen Straßenniveau anzugleichen. Und so blieb der Tiefe Graben ein tiefer Graben. Bis heute. Man überwand ihn mit der Hohen Brücke. Einer römischen zunächst, einer hochmittelalterlichen, einer gotischen, einer barock dekorierten und einer neugotischen schließlich. Auch die musste weichen, als, das 20. Jahrhundert war noch jung, die über sie verlaufende Wipplingerstraße verbreitert werden sollte. Den wunderbar verspielten Nachfolgebau, den gestaltete der auf Brückenentwürfe spezialisierte Josef Hackhofer, ein Mitarbeiter Otto Wagners. Vier Mal hatte er den Wienfluss überbaut, am schönsten wohl mit dem Zollamtssteg. Und 1903 also auch den Tiefen Graben. 15 Meter misst sie, die moderne Eisenkonstruktion. Ihre Dekoration Jugendstil in seiner schönsten Form. Auf weißem Marmorgrund gedenkt sie ihrer Vorgänger in schönstem Gold, daneben die Wappen Wiens und Niederösterreichs. Ihr Inneres, die Träger und Verbindungsstützen, die verbirgt sie hinter Eisenblech, eitel wie sie ist. Doch zu Recht. Durch ein Eingangsportal zu ihren Seiten gelangt man, über Treppenläufe, nach oben. Oder unten, je nachdem, wo man ist. Wir, ja wir sind oben. Und blicken zurück aufs schöné Wien. Mögen andere die nächsten Brücken bauen durch unsre schöné Stadt. Sie hat es verdient.
Das Ende ist da und unser Arbeitgeber, ja der wollte Ergebnisse sehen. Wir beugten uns dem Druck und schritten ein letztes Mal die Siegerlisten ab. Furchtlos und unerschrocken gingen wir dem Schlussstein entgegen, zwischen ihm und uns nichts als zwanzig maßgebliche Werke modernen Architekturschaffens in Wien. Unter ihnen, so muss es sein, die wunderbare Hohe Brücke. Noch einmal sammeln wir Sachverstand und Urteilsgabe, weisen ihr, integer und unbestechlich wie eh und je, den ganz zweifellos hochverdienten zwanzigsten Platz im Ranking zu, gratulieren herzlich und sagen Servus. Leise, wie es sein muss in Wien. Schön war’s, liebe Freunde, Kollegen, Wieneroberer, schön.
(Dieser Beitrag ist Teil der Serie «Wo in Wiens mit modernen Baukunststücken ausgiebig behübschten Straßen finde ich die beeindruckendsten, bahnbrechendsten und überhaupt maßgeblichsten Profanbauten der Moderne?». Nähere Infos und Hintergründe unter
).

Das erste Mal richtig aufgefallen ist mir die Hohe Brücke erst als ich im Cenario zu einer Lesung ging. Ich stand echt erst einmal etwas verwirrt da. Echt verrückt, dass einem erst nach einer ganzen Weile auffällt welche Höhenunterschiede es eigentlich in Wien gibt. Dabei muss ich die Strecke eigentlich schon oft gelaufen sein, da war ich mir ganz sicher. Aber wie kann man das nicht bemerken?
Die Brücke ist ja auch durch ihre Gestaltung im Jugendstil sehr schön anzuschauen. Ein richtiges kleines Juwel in einer eher ruhigeren Ecke des Ersten Bezirks, von dem man irgendwie viel zu wenig hört. Wie etwas wie die Ankeruhr so bekannt sein kann und diese Brücke nicht ist mir da wirklich ein Rätsel.

Die hungrigen Gestalten, die sich auf dem Weg zum Hotel Orient befinden, sehen in ihr ein vertrautes Gesicht, der Hohen Brücke über dem Tiefen Graben.
Zuerst Holz über dem Ottakringer Bach, im 15. Jahrhundert dann gemauerte Gotik, bis im 18. Jahrhundert die Zeit des Barocks ins Land und auf die Brücke zog, ihr eine barocke Balustrade verpasste und eine kleine Kapelle aufsetzte.
So trug sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Wipplingerstraße über den darunter verlaufenden Tiefen Graben. An diesem Punkt, nämlich dem Ende des 19. Jahrhunderts, kam die Neugotik an den Ort und mit ihr ein Neubau der Brücke, in dessen Konzept die Kapelle keinen Platz mehr hatte und verschwand.
Etwas mehr als 100 Jahre zogen ins Land und erneut wurde das Erscheinungsbild der Brücke in ein neues Bild gerückt, die tragenden Teile mit Wellblech und Marmor verkleidet, goldene Erinnerungen an die Vorgängerbrücken eingraviert und ein Jugendstilgeländer aufgesetzt. Dafür sorgte der österreichische Brückenarchitekt Josef Hackhofer, der auch die Pläné für den Zollamtssteg, die Radetzkybrücke, die kleine Marxerbrücke oder den Wienflussverbau im Stadtpark zeichnete.
Die Rollläden im Inneren der Hohen Brücke stilisieren Geschäftsnischen, sind allerdings nur schmückendes Beiwerk ohne Innenleben.
Auf jeden Fall ein prächtiger Zeuge des Wiener Jugendstils, der sträflicher Weise allzu oft übersehen wird.

Eigentlich gibt es sie schon fast so lange wie Wien selbst. Zuerst war sie wirklich eine Brücke, die Limesstraße der Römer führte über den Ottakringer Bach. Anfänglich als Holzkonstruktion konzipiert veränderte sich dann ihre Form und auch ihre Funktion. Gut Brücke blieb sie, nur überspannte sie nicht mehr den Bach sondern wurde zur Straßenbrücke. Statt Wasser überbrückte und überbrückt sie den Tiefen Graben.
Ich muss zugeben, ich hatte keine Ahnung, dass es da so ein Gefälle mitten in Wien gibt und als ich das erste Mal dann auf der hohen Brücke war ich ganz schön überrascht. Heute ist es natürlich alltäglich geworden, wie für die meisten Wiener. Nicht einmal Touristen verirren sich oft hierher, zumindest nicht mit dem Grund, zur Hohen Brücke zu gehen.
Schade eigentlich. Denn für mich ist sie eines jener Details, die die Schönheit Wiens ausmachen. Vielleicht schon etwas missgestaltet durch Graffitis, aber dennoch in recht guten Zustand. Die Stiegenaufgang sind vielleicht innen etwas dunkel, heruntergekommen und unheimlich, das muss man zugeben und wird man auch gleich bemerken. Aber im Großen und Ganzen hat sich hier Hr. Hackhofer Mühe gegeben und auch ein schönes Werk zustande gebracht.
Hr. Hackhofer, also eigentlich Joseph Hackhofer hat diese Brücke nämlich entworfen. Es war eigentlich schon der 3. Umbau, sollte aber vorerst der letzte sein. 1903 wurde er begonnen, 1904 bereits fertig gestellt. Auf den ersten Blick würde man sie ja sofort mit den Straßenbahnstationen am Karlsplatz von Otto Wagner in Verbindung bringen. Der Marmor, die grüné Farbe, die Eisenkonstruktion an sich und auch die goldenen Ornamente. Er hat auch sicher seinen Einfluss dazu geleistet, aber ausgeführt wurde sie dann viel verspielter. Da gibt es an den Ecken der Brücken zwei Gravuren aus Gold, die das damalige Aussehen der Hohen Brücke zeigen. Oder die Embleme der Gemeinde Wien an den Ecken, etwas verschlungen aber dennoch gut erkennbar. Entdecken kann man jedenfalls hier genug und das sollte man auch tun. Denn die Hohe Brücke ist mehr als nur eine Brücke. Das wird bei genauerer Betrachtung schnell klar.