Kurzpass und Chorizo

Mein Gott, was für ein Spiel (
) gestern Abend. Die Emotionen schlugen hoch. Nicht nur auf dem Platz und auf den Rängen des St.-Jakob-Park EM Stadions in Basel, sondern auch in heimischen Wohnzimmern und danach auf der Straße. Der Kurzschluss oder Stromausfall (
) schien vorprogrammiert. Aber nicht nur im IBC in Wien, nein, auch in so manchem Gemütern. Die ungebremste Fröhlichkeit der Autohupe war wohl hinzunehmen wie das Unwetter. Und nicht vorzustellen, was passiert wäre, hätten die sympathischen Türken gewonnen. Ihr nationales Temperament hätte für noch mehr schlaflose Stunden gesorgt. Die können es nämlich noch besser.
Eigentlich kann ich alles verstehen. Nur mache ich mir mittlerweile ernsthaft Sorgen um die Fußballmuffel. Natürlich ist es schwer, an etwas teilzunehmen, an dem man gar nicht teilnehmen will. Aber die wenigen Tage bis zum Finale sollten durchzustehen sein. Stellen Sie sich den rheinischen Karneval vor. Da ist die Fröhlichkeit noch aufgesetzter. Das mache ich jedes Jahr mit und betrachte die närrischen Tage einfach als Naturkatastrophe. Und als Überlebenskünstler kann ich selbst diesen schwierigen Zeiten etwas abgewinnen. Ich bin halt eben tolerant und denke praktisch. Was nicht zu ändern ist, ist nicht zu ändern. Also, ihr Intellektuellenzirkel und Häkelclubs: lächeln. Locker sein. Den Frust kann man auf Qype abladen. Dazu ist das Portal ja schließlich da. Ich halte es so wie unser Mann am Büdchen. Für den ist das Leben ein Spaß. Währendem er den Knirpsen die Lollies und Fruchtgummis aus den Zellophaneimern rauskramt, bestätigt er jede noch so unmaßgebliche Meinung und denkt sich seinen Teil. Und ist nie eingeschnappt. Das nenne ich Souveränität.
(Siehe Foto unten)
Wird der Rubel von Abramowitsch und Gazprom nun wieder eingefroren?
Heute Abend spiel Russland (
) gegen Spanien (
). Oder sollte ich lieber mit sagen? Um das Martialische zu mildern? Egal, ich hoffe, dass sich danach wieder alle lieb haben. Wer wird als glücklicher Sieger vom Platz gehen? Russland, dessen riesiges Reservoir an Spielern durch die Abramowitsch– (
) und die Gazprom (
) –Millionen erschlossen wird? Mit ihren von Guus Hiddink (
) so hervorragend eingestellten jungen Blitzfußballern (
)? Oder die große alte Dame Iberia? Die Mannschaft der Nation, die so hervorragenden Vereinsfußball pflegt, aber international mit ihrer Auswahl selten an der Spitze steht? Mit ihrem dienstältesten EM-​Trainer Luis Aragonés (
)? Aragonés, der die Farbe Gelb (
) hasst, und in Gelb muss die spanische Mannschaft als Gastmannschaft heute Abend auflaufen. Bei der WM 2006 warf der Trainer einen gelben Begrüßungsstrauß in einen Mülleimer. Seine Kinder durften nie Gelb tragen. Wahrscheinlich schwelgen sie jetzt in ihrer gelben Volljährigkeit. Russland ist Geheimfavorit. Mit dem pfeilschnellen Andrei Arshavin. «Er spielt ein sehr gutes Turnier. Wir dürfen ihm genauso wenig wie den anderen Russen Raum zur Entfaltung lassen. Sie sind das physisch stärkste Team im Halbfinale», sagte der 69-​jährige Trainerfuchs Aragonés. Auch seine Spieler haben sich bestens vorbereitet. In einem neuen spanischen
Video link:
zeigen Fernando Torres, Andres Iniesta, Sergio Ramos, Carles Puyol und Cesc Fábregas, wie stolz sie wirklich auf ihr Fußball-​Land sind. Sie tätowieren sich mit beschwörenden Kritzeleien eigenhändig. Was nun? Im Gruppenspiel gingen die Spanier mit einem 4:1-Erfolg über Russland vom Platz. Aber das war zuvor. Jetzt ist jetzt. Die Strategien werden zurechtgelegt und man wird sehen.
Startformation Russland: Igor Akinfeev, Aleksandr Anyukov, Vasili Berezutskiy, Sergei Ignashevich, Yuri Zhirkov, Sergei Semak, Konstantin Zyryanov, Igor Semshov, Ivan Saenko, Andrei Arshavin, Roman Pavlyuchenko. Startformation Spanien: Iker Casillas, Sergio Ramos, Carlos Marchena, Carles Puyol, Joan Capdevilla, Andres Iniesta, Marcos Senna, Xavi, David Silva, David Villa, Fernando Torres.
Erste Halbzeit: Der Wetterdienst des ORF prognostizierte eine Abkühlung durch Regen bis zum Ende der Spielzeit auf zwanzig Grad, aber kein Gewitter. Also kein Stromausfall. In Realität gießt es in Strömen und Blitze zucken über dem Rund des Stadiondaches. Der Reporter macht sich Sorgen um den Endspielrasen. Vom vielgelobten Andrei Arshavin, dem Wechselgelüste nach Barcelona nachgesagt werden, ist nicht viel zu sehen. Sein Sturmpartner Roman Pavlyuchenko wacht in der