T-Center

schlechtes Netz in Österreich!

Wir nähern uns dem Ende, dem obligatorischen, wie wir wissen. Und wie wir uns zu verhalten haben, das weiß die gute Frau Kübler-​Ross. Nichtwahrhabenwollen und Isolierung folgen Zorn und Ärger folgt Verhandeln folgt Depression folgt Zustimmung. Das Nichtwahrhabenwollen haben wir hinter uns gebracht, die gute Isolierung, einzelgängerisch wie wir sind, ebenso. Also Zorn und Ärger. Schreien, toben, schimpfen. Es hilft alles nichts. Verhandeln vielleicht? Wir wenden uns an den Vorgesetzten. Er ist zufrieden, lobt, gratuliert, lädt ein zu Kaffee und Kuchen. Das Ende hinausschieben, nein, das will auch er nicht. Morgen sei Schluss, meint er, und blickt auf die Uhr, streng und vielbeschäftigt, wie er ist. Doch vielleicht, vielleicht lässt er sich umstimmen, der edle Ritter. Mit dem schönen T-​Center im schönen Sankt Marx vielleicht. Wir wollen es versuchen.
2002 ward es begonnen, das seinerzeit größte private Bauvorhaben Österreichs. Die Deutsche Telekom zahlte, ein Team um Günther Domenig entwarf. Und nach kurzen 26 Monaten zogen sie ein, die ersten Mieter, T-​Mobile Austria naturgemäß der größte unter ihnen. In ein tatsächlich gelungenes Haus, das gelungenste, ungewöhnlichste und spektakulärste Bürohaus Wiens, möchte man meinen. Den Otto Wagner Städtepreis gewann es, den Österreichischen Staatspreis für Architektur. Und zu guter Letzt den Chicago Athenaeum International Architecture Award, Freund Wikipedia beweist es. Fragt sich wofür. Nun gut. Man kennt keine Details und rät, selbstgefällig wie immer, ins Blaue hinein. Für seine skulpturale Wirkung vielleicht. Die kantig und harmonisch zugleich daherkommenden Trakte, allein ihrer Ausdehnung wegen weithin sichtbare Bezugspunkte im tangentennahen Südosten des dritten Bezirks, am Rand des alten Schlachthofareals. Gut 280 Meter lang, 80 bis 125 Meter breit, gut 60 Meter hoch. Beachtliche 2.400 Menschen gehen hier ihrer Arbeit nach.
Ein gewaltiger Bau also. Der Flügelschlag eines Vogels soll die Vorlage geliefert haben. Die Dynamik wäre gegeben. Und wie der Flug des Adlers, Spatzen oder Wollkopfgeiers kein Vorne und Hinten hat, so hat auch das Gebäude am Rennweg kein Vorne und Hinten, keine Rücken– und Schaufront. Stattdessen ist es durchlässig, für Licht und Luft, für Rad– und Fußwege. Geknickt, verschränkt, gestaffelt die zahlreichen Baukörper, verbunden durch ebenso viele Treppen, Stege und Brücken. Eine schöné Sache, ergänzt um Restaurants, Cafés und Geschäfte. Ein 4-​Sterne-​Hotel samt Bürokomplex soll das Angebot im Mai 2012 weiter ergänzen, im historischen Schlachthofareal, das zum führenden Hightech– und Mediencluster Wiens ausgebaut werden soll. 15.000 Menschen sollen hier leben, in Neu Marx, im Jahr 2016. Man wird sehen.
Das Ende naht und unser Arbeitgeber, ja der will Ergebnisse sehen. Wir beugen uns dem Druck und schreiten ein letztes Mal die Siegerlisten ab. Furchtlos und unerschrocken gehen wir dem Schlussstein entgegen, zwischen ihm und uns nichts als zwanzig maßgebliche Werke modernen Architekturschaffens in Wien. Unter ihnen, so muss es sein, das wunderbare T-​Center. Noch einmal sammeln wir Sachverstand und Urteilsgabe, weisen ihm, integer und unbestechlich wie eh und je, den ganz zweifellos hochverdienten neunzehnten Platz im Ranking zu, gratulieren herzlich und sagen Servus. Leise, wie es sein muss in Wien. Schön war’s, liebe Freunde, Kollegen, Wieneroberer, schön.
(Dieser Beitrag ist Teil der Serie «Wo in Wiens mit modernen Baukunststücken ausgiebig behübschten Straßen finde ich die beeindruckendsten, bahnbrechendsten und überhaupt maßgeblichsten Profanbauten der Moderne?». Nähere Infos und Hintergründe unter
).

Das T-​Mobilecenter liegt in der Nähe von meiner Wohngegend, also 3 Straßenbahnstationen entfernt. Ich kenne es seit der Zeit, wo es noch nicht einmal fertig gebaut war. Ich musste nämlich jeden Morgen daran mit der Straßenbahn vorbeifahren, um zur Schule zu kommen. Dadurch konnte ich jeden Tag mitverfolgen wie der Bau voranging.
Jetzt ist er schon zu einem Markenzeichen von Wien geworden, dieser rießige Stahlkomplex, der ein Schiff darstellen soll. Im inneren dieses rießigen Gebäudes scheinen die Menschen in ihren Büros wie kleine fleißige Ameisen, die bis in die Nacht hinein arbeiten.
Es gibt auch eine rießige Cafeteria mit eigenem Eingang für die Mitarbeiter und seit kurzem gibt es hier auch einen T-​Mobile-​Shop, der aber nur mäßig besucht ist, da es in der Nähe nur Autoverkäufer und wenig für die Anrainer anziehendes geboten wird.