An Wiens zahlreichen Treppenanlagen wird einem erst deutlich, welche Niveauunterschiede in der Stadt tatsächlich herrschen. Unterschiede, die man ansonsten schnell mal übersieht. Unterschiede, die in vielen Fällen auf die Wasserstraßen des ganz alten Wiens zurückgeführt werden können. Umso überraschter ist man dann, wenn sich zwischen den Häusern plötzlich ein Krater auftut, der über die dahin gegossenen Stufen eine schnelle Abkürzung ermöglicht. Manche, wie die Strudlhofstiege, versprühen dabei verträumte Romantik, andere wiederum kalte Funktionalität. Die Thurnstiege auf dem Alsergrund zählt jedenfalls zu der kälteren Gattung. Von der Wasagasse zieht sie sich rauf bis zur Währinger Straße und liefert dem Betrachter ein Bild der Hektik. Denn wie aus zusammengefallenen Baugerüsten erscheint das Geländer, das in der Mitte seinen Zick-Zack-Weg hinauf bahnt. Freilich steckt da auch Sinn dahinter, handelt es sich bei der Thurnstiege doch um eine der wenigen behindertengerechten Treppenanlagen Wiens. Und die barrierefreie Mitte ist so den Rollstühlen aber auch den Kinderwägen gewidmet. Der Neubau im Jahr 2004 ließ die alte Treppenanlage jedenfalls völlig verschwinden und so ist die neue Thurnstiege nicht nur Treppe sondern auch Rampe und damit Zeichen für den sozialen Zeitgeist in der Stadtplanung.