Cafe Rathaus

Weil hier stand, alle unter 40 langweilten sich im Café Rathaus: Schräg gegenüber von mir saß heute eine sehr junge Frau, die sich köstlich amüsierte. Okay, sie blickte dabei in ihr Handy, aber das ist in digitalen Zeiten ganz normal.
Ich hatte dieses Café vor vielen Jahren besucht und es hat mir gefallen.
Irgendwie vergaß ich es, eilte ab und zu an ihm vorbei, weil ich im Café Eiles einen Termin hatte. Und nahm mir jedes Mal vor, endlich wieder ins «Rathaus» zu gehen.
Heute habe ich es gemacht.
Wunderbar!
Obwohl fast High Noon (also knapp vor mittags) gab es einige freie Plätze. Zeitungen selbstverständlich auch.
Ich wollte bloß eine Kleinigkeit, also nahm ich gebackene «Hühnerstreifen auf Salat». Es waren etliche Hühnerstreifen, der Salat war mit Kürbiskernöl angemacht (nennt sich in Österreich so) und bestand aus unterschiedlichen Salaten und — Kürbiskernen.
Alles tadellos, also so, wie es gebackene Hühnerstreifen auf Salat eben sein können.
Das kostete € 7,90 und das Krügerl (großes Bier) € 3,70.
Frau Agate (so steht es auf der Rechnung) war freundlich und eine andere Kellnerin machte mich beim Verlassen des Raumes nett darauf aufmerksam, dass ich an der falschen Türhälfte rüttelte. Vielleicht sollte ich doch zu meiner Augenärztin gehen?
War ein gemütliches Mittagessen.
Ich hätte auch ins nahe gelegene Café Landtmann gehen können, gegenüber dem Burgtheater. Dort hätte ich wahrscheinlich keinen Platz bekommen.
Und ein bisschen mehr bezahlt.
Gehe ich lieber ins Café Rathaus!

Das Café Rathaus ist mir vor allem zur Weihnachtszeit immer durch seine Weihnachtsbeleuchtung aufgefallen.
Drinnen kommt jedoch dann die Ernüchterung, ein durchschnittliches Wiener Kaffeehaus mit in die Jahre gekommenem Interieur.
Bei Speisen und Getränkeauswahl (Teeauswahl) besteht aus den Klassikern mit besondern Empfehlungen der Küche, nichts außergewöhnliches. Das Personal ist recht freundlich. Leider war meine Maronicremesuppe nicht wirklich eine Cremesuppe.
Zum Aufwärmen mit Tee oder Suppe vor oder nach dem Christkindlmarkt ist es schon ganz in Ordnung hier. Zum längeren Verweilen lädt es für mich nicht unbedingt ein.

Genau das richtige für den alljährlichen Elternbesuch. Der Kaffee war ganz gut, die Apfeltorte auch genehm. Nix besonderes, alle unter 40 langweilen sich hier vermutlich, wenn sie sich nicht gerade in Zeitungen vergraben. Ich zumindest muss nicht wieder hin, auch, wenn mir jetzt nix negatives einfallen mag. Einfach ein bisserl fad.

Das Schöné an Wiener Kaffeehäusern ist es, dass sie für Menschen aller Generationen als Ort dienen, an dem sich viele unwichtige und manche wichtigen Momente ihres Lebens abspielen.
Ich sitze im Café Rathaus an einem windigen verregneten Sonntagnachmittag. Die meisten Tische sind leer, an den anderen sitzen alte Damen, die sich über ihre Haushaltshilfen unterhalten und darüber, dass sie mit ihnen lange Zeit quatschen, weil ihnen ein kurzes Gespräch lieber ist, als eine tadellos geputzte Wohnung. Am anderen Tischen sitzen schweigsame Studenten: ein Tisch, ein Student, ein Buch. Sie freuen sich, zumindest nun mit sich alleine sein zu dürfen. So geht es mir auch. Ein älterer Herr sitzt alleine, vertieft in der Presse. Dann ein junges Paar, auch vertieft, allerdings in einem Gespräch. Im langen Hauptsaal mit seinen drei Tischreihen sitzen wenige Menschen, niemand in der mittleren Reihe, alle in den Geborgenheit gewährenden Kojen. Im Nebenzimmer ist sogar das Licht abgedreht, an den fürs Kartenspiel ausgestatteten Tischen sitzt niemand. Ein Touristenpaar hat sich verirrt und braucht Hilfe bei der Speisenbestellung. Aus dem Nebentisch kommen klagende Stimmen: Margareten und Wieden haben sich so verändert, nun steht ein Lokal nach dem anderen, ein Weinlokal nach dem anderen, auch das Weinhaus in der Schönbrunnerstraße hat den Besitzer gewechselt.
Hier sind wir aber am Rande der Josefstadt. Veränderungen haben viele stattgefunden, auf vielleicht diskretere Weise — oder auch nicht, wer weiß, ich müsste die Dame daneben fragen, die es kaum glauben kann, dass schon neunzig Jahre vergangen sind.
Dieses Café ist zu anderen Zeiten etwas aufregender. Ich mag es aber auch an Tagen wie heute während der Sturmzeit. Viele kosten davon, zuerst ein Achtel, dann noch eins und noch eins.