Der Standard

Ich gebe es offen und ehrlich zu, selbst ich lese den Standard nur wegen dem billigen Studentenabo. Nicht weil ich die Zeitung nicht gut finde, ganz im Gegenteil, ich bin ein Befürworter von Qualitätsjournalismus und unterstütze diesen durch mein Studentenabonnement fleißig. Trotzdem gebe ich, als studierte Person, offen und ehrlich zu, dass er mir ab und zu zu anstrengen und zu mühsam zum lesen ist.
Die ganzen Wirtschaftsteile interessieren mich nicht, also gebe ich der Zeitung gleich an meinen Vater in der Früh ab.
Außerdem finde ich es cool, dass der Standard an den Unis öfters mal gratis verteilt wird, einfach eine sehr gelungene PR Aktion, die zukünftigen Leser schon mal an die Zeitung gewöhnen. Gefällt mir!
Außerdem war ich einmal mit einem Uniseminar beim Standard eingeladen um den Onlinephotographen kennen zu lernen. Wir wurden so herzlich empfangen, sogar ein Buffet wurde unseres wegen aufgebaut. Gefällt mir noch mehr! Ich bleibe dem Standard treu, das bin ich ihm schuldig für die tollen Brötchen damals.

Als ich vor nunmehr einigen Jahren nach Österreich kam, begab ich mich gleich auf die Suche nach einem würdigen Ersatz für La Repubblica, die Tageszeitung, die mein ganzes Erwachsenenleben begleitet hatte. Zur Orientierung: es handelt sich um ein so genanntes linksliberales Blatt, das nicht wenige Ähnlichkeiten mit internationalen Tageszeitungen wie El País, SZ, New York Times oder Le Monde aufweist. Darüber hinaus ist La Repubblica — zusammen mit dem konservativeren Corriere della Sera — Italiens auflagenstärkste Tageszeitung.
Gleich bekam ich von Gleichgesinnten den Standard in die Hand gedrückt. Dabei ist es geblieben, sprich seit dem bin ich überzeugte Standard-​Abonnentin und selbstverständlich Leserin. Von anderen Blättern halte ich mich aus Prinzip fern. Es tut natürlich wohl, zu wissen, dass es auch in Österreich eine qualitativ hochwertige Zeitung gibt, die zwar wenig Mittel zum aufwändigen Recherché-​Journalismus aufbringen kann, ihren Lesern aber täglich mit einer klugen Auswahl an Themen, mit guten Interviews und offenen Kommentaren versorgt. Seit dem Wechsel bei der Chefredakteursstelle, finde ich, dass der Standard vielfältiger, dynamischer und inhaltlich artikulierter geworden ist. Allesamt gute Zeichen für die Zukunft, will man hoffen. Besonders fein finde ich das Album, also die Beilage zur Wochenendausgabe und die eine oder andere Sonderausgabe (ich meine die Wochenendausgaben, bei denen sich ein bestimmtes Thema — etwa Nationalität, Nachhaltigkeit usw. — farblich hervorgehoben durch alle Seite hindurchzieht).
Nun zurück zur ersten Berührung mit dem Standard. Er kam mir schon etwas dünn, sogar mager vor. Dazu die vielen Pressemitteilungen, die wenigen Buch-​, Film– und Theaterrezensionen… Ich glaubte, mich vor der größten Tageszeitung des Landes zu befinden, und war vor allem deswegen negativ überrascht von solcher… Bescheidenheit. Später klärten mich weitere Gleichgesinnte auf, ich lernte das Phänomen «Krone» und viele andere frustrierende Details über die österreichische Medienlandschaft kennen. Bei (gefeierten!) 5% der Leserschaft und einer sehr geringen internationalen Verbreitung ist das, was der Standard heute leistet, durchaus beachtlich und verdient Respekt.
Nach den ersten Jahren Abstinenz (da lautete die Devise «ich will mich integrieren»), lese ich heute dennoch wieder sehr oft La Repubblica in Papierform und täglich online. Den Standard werde ich aber keinesfalls aufgeben.

Der Standard ist sicher die qualitativ höchstwertige Tageszeitung Österreichs.
Ich persönlich mag sehr gerne den Teil mit den internationalen Nachrichten, da dieser Bereich in anderen Zeitungen oft vernachlässigt wird.
Zugegeben, kauft man die Zeitung an einem Zeitungsstand, kommt sie etwas teuer. Bestellt man allerdings ein Abo, ist der Preis vollkommen ok, für Studenten ist dieses nochmal erheblich billiger.
Aber für die Qualität, die man darin findet, zahle ich gerne ein bisschen mehr. Ich habe vor Jahren aufgehört, Österreichs auflagenstärkste Zeitung zu lesen, weil ich mich über die Subjektivität und rechten Tendenzen darin nur ärgere. Der Standard bietet objektive Berichterstattung und jeder kann sich seine eigene Meinung bilden, ohne von der Zeitung beeinflusst zu werden.

Der Standard, des Studenten wohl liebste Tageszeitung. Das lachsfarbene Blatt orientiert sich nicht nur vom Layout her an der NY Times oder der Süddeutschen, auch vom inhaltlichen Anspruch her erkennt man beizeiten den Einfluss der großen Vorbilder. Ich kann mit Fug und Recht behaupten: Österreichs beste Tageszeitung.
Doch leider ist, wie wir alle wissen sollten, Österreichs Medienlandschaft eine vertrocknete Wüste, weshalb das Label «Beste Tageszeitung des Landes» vielen Leuten nur ein müdes, resigniertes Lächeln auf’s Gesicht zaubert — aber man muss ja nicht gleich zynisch werden. Der Standard liefert teilweise sehr gut recherchierte Artikel, die sympathisch-​linksliberale Blattlinie wird allein durch die Themenwahl schon offensichtlich, und
ist der wohl beste Internetauftritt eines österreichischen Mediums.
Hin und wieder allerdings fällt die Tendenz des Standard, Meldungen der APA oder anderer Agenturen ungeprüft und unverändert zu übernehmen, durchaus negativ auf. Das ist nun sicherlich kein nur dieses Blatt betreffendes Phänomen — natürlich, das Budget ist begrenzt, die Redaktion ausgelastet und die nächste Deadline sitzt einem im Nacken. Aber aufgrund des Anspruchs, eine Qualitätszeitung zu produzieren, fällt es hier für mich persönlich mehr in Gewicht als bei manchen Konkurrenzblättern.

Qualität hat seinen Preis. Was die Tageszeitung «Der Standard» betrifft, steckt Wahrheit in diesem Sprichwort. Denn mit 1,70 Euro unter der Woche und 2 Euro am Wochenende, gehört das lachsfarbene Blatt zum oberen Spitzenfeld was den Einzelhandelspreis betrifft (im Rahmen von StudentInnenabos ist der Bezug weitaus günstiger). Dafür stimmt auch die Berichterstattung. Viel Außen– und Innenpolitik und vergleichsweise zahlreiche Artikel über Kultur und Wissenschaft sind neben Perspektivenvielfalt und ausführlichen Hintergrundinformationen und Analysen in den Reportagen Kriterien für Qualitätsjournalismus. Ein Schwerpunkt liegt auch auf dem Bereich Wirtschaft — war «Der Standard» ehemals doch ein reines Wirtschaftsblatt. Doch trotz toller, hochwertiger Inhalte hat es das Massenmedium im Reichweitenkampf schwer, wenn auch in den letzten Jahren Boden im Vergleich zum wohl stärksten Konkurrenten «Die Presse» gut gemacht werden konnte (in der Media-​Analyse von 2009 liegt der «Standard» immerhin mit einer Reichweite von 5,6% vor der «Presse» mit 3,7%). Ein tolles Angebot des Unternehmens sind Führungen durch das Haus in der Herrengasse. Selbst in meinem Studium eine solche miterlebt habe ich auch meinen Studierenden in meinem Tutorium eine solche angeboten. Relevante und interessante Daten und Fakten werden ebenso präsentiert, wie ein Einblick in journalistischen Alltag geboten wird. Newsroom, Redaktion, Presseraum für Interviews oder Konferenzen — alles wichtige Elemente um jeden Tag eine Zeitung unter das Volk zu bringen, die Printjournalismus vom Feinsten bietet.

Ich würds mal Schicksal nennen. Genau an meinem Geburtstag kam die erste Ausgabe des Standard raus. Sowohl Tag, Monat, als auch Jahr stimmen überein. Wir sind also quasi Zwillinge :)
Der Standard bemüht sich an Formaten wie der Süddeutschen Zeitung oder der New York Times zu orientieren. In der österreichischen Printlandschaft ist es ohnehin eher düster und ich finde es gut, dass sich eine Zeitung solch hohen Ziele steckt. Die Atikel sind, soweit ich das beurteilen kann, gut recherchiert und angenehm geschrieben.
Was meinen Glauben an die Zeitung aber schwerst verletzt hat, ist eine Ausgabe letzten Jahres. Das Titelblatt wurde zur «Mission höchster Standard» und zu einer einzigen riesigen Werbeplattform für eine Supermarktkette. Und das nicht ausreichend angedeutet. Das Layout entsprach vollkommen dem Original. Das Bild war an der richtigen Stelle, selbst der Glossenkasten war da. Täuschend echt, aber nicht aus der Redaktion, sondern aus der PR-​Abteilung der Supermarktkette. Eine Zeitung die den Anspruch hat qualitativ hochwertig zu sein und sich am Niveau der SZ oder NYT orientieren will hat so etwas nicht nötig. Im Gegenteil: darf so etwas nicht gutheißen. So meine Meinung, deshalb der Punkteabzug.
Trotz meines kleinen Zwists mit dieser einen Ausgabe ist sie immer noch die erste Wahl für Tageszeitungen.